Metzgermeister Gerd Möhrle (Mitte) im Gespräch mit Jürgen Zinnel (li.) und Alexander Bangert (re.) vom Brühl-Beurbarungs-Boten
BBBote: Herr Möhrle, Sie führen heute ihre Metzgerei als traditionsreichen Familienbetrieb in der vierten Generation. Ihr Urgroßvater hat den Betrieb zu Beginn des vorigen Jahrhunderts als Metzgerei und Kohlenhandel gegründet …
Gerd Möhrle(lacht): Ja, da hätte heute das Gewerbeaufsichtsamt seine wahre Freude daran!
BBBote: War es bei so viel Tradition nach Abschluss der Meisterprüfung eine schwere Bürde, den Betrieb zu übernehmen?
Gerd Möhrle: Nein, ich wusste ja was auf mich zukommt. Aber ich war gerade dreißig Jahre alt und hätte gerne noch ein paar Jahre bis zur Übernahme der Verantwortung für das Geschäft gewartet. Mein Vater hat mir aber, bildlich gesprochen, die Schlüssel übergeben und meinte, er sei auch im Alter von dreißig Jahren an die Spitze des Betriebs getreten. Allerdings hatte er damals bei meinem Großvater diesen Wechsel eingefordert, indem er ihm vor die Alternative stellte: „Ich übernehme das Geschäft oder ich gehe.“
BBBote: Hat er anschließend noch versucht, Einfluss auf den Geschäftsablauf zu nehmen?
Gerd Möhrle: Nein, er hat sich anschließend, auch aus gesundheitlichen Gründen, nicht mehr um die Metzgerei gekümmert. Ich glaube, er war letztlich sehr froh über den Schritt und hat mit vertraut.
BBBote: Schlachten Sie in ihrer Metzgerei heute noch selbst?
Gerd Möhrle: Das macht heute in Freiburg keine Metzgerei mehr. Die gesetzlichen Vorschriften für das Schlachten sind heute so hoch, dass sich das kein Familienbetrieb mehr leisten kann. Meine Vorgänger haben noch selbst diese Tätigkeit im alten Schlachthof an der Dreisam, der sich in der Nähe des heutigen Faulerbads befand, ausgeübt. Im neuen Schlachthof in der Tullastraße wird diese Aufgabe den Freiburger Metzgern von den dortigen Angestellten abgenommen.
BBBote: Dann haben Sie keinen Einfluss mehr darauf, woher das Fleisch kommt?
Gerd Möhrle: Nein, im Gegenteil. Ich achte sehr darauf, dass das gesamte Fleisch, das ich verarbeite, aus der Region stammt. Das Kalbfleisch liefert ein Landwirt in Vörstetten und mein Lammfleisch beziehe ich von einem mir sehr gut bekannten Landwirt aus Wittnau. Da es für Rindfleisch mittlerweile den Rinderpaß gibt, weiß ich auch hier jederzeit, wo die Tiere gezüchtet worden sind. Das Schweinefleisch liefert mir die Firma Färber, die den Schlachthof betreibt und garantiert, dass das Fleisch ebenfalls aus regionalen Quellen stammt.
BBBote: Haben Sie viel verändert, als Sie den Betrieb von Ihrem Vater übernommen haben?
Gerd Möhrle: Bei der Produktion der Fleisch- und Wurstwaren bin ich sehr traditionsbewusst. Mein Vater war äußerst kreativ und experimentierfreudig und wurde für die Qualität seiner Produkte sehr gerühmt. Darauf konnte ich aufbauen, denn seine Rezepte bilden noch heute die Grundlage der Produktion.
BBBote: Hat sich das Kaufverhalten der Kunden gegenüber früher wesentlich verändert?
Gerd Möhrle: Das hat sich in der Brühl-Beurbarung wie überall merklich verändert. Dies hängt im wesentlichen mit zwei Faktoren zusammen: Neuen Trends in der Ernährungsweise und Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur. Vor dreißig Jahren waren es überwiegend vier- oder auch fünfköpfige Familien, die bei uns größere Mengen Fleisch einkauften und anschließend selbst zubereiteten. Durch die drastische Zunahme der Singlehaushalte und Kleinfamilien werden bei uns bevorzugt Fleischwaren und Speisen gekauft, die nur noch kurz im Topf oder in der Pfanne erhitzt werden müssen. An die Stelle von unzubereitetem Koch- und Bratfleisch oder dem traditionellen Fleischwurstring sind eher fertige Schnitzel, Maultaschen und Leberknödel getreten. Zugenommen hat auch die Nachfrage nach Geflügel. Außerdem kommen über die Mittagszeit viele Gäste vorbei, die unsere täglich wechselnden, frisch zubereiteten Tagesessen bestellen.
BBBote: Welche Konsequenzen hat das für Ihre Arbeitsabläufe?
Gerd Möhrle: Wir müssen für eine große Vielfalt im Angebot sorgen und sehr viel mehr Essen zubereiten als früher. Das hat natürlich zu einer stärkeren Verdichtung der Arbeitsprozesse geführt. Dies führt dazu, dass ich in der Regel über 55 Stunden pro Woche arbeite, und es ist schon vorgekommen, dass ich mehrere Jahre keinen Urlaub gemacht habe. Aber wichtig ist vor allem: Mir macht die Arbeit viel Spaß!
BBBote: Kann man das ein Arbeitsleben lang durchhalten?
Gerd Möhrle: Ich finde schon. Selbst einen Betrieb zu führen, eine Mannschaft zu haben, die sich mit mir zusammen für den Betrieb engagiert, zu gestalten und zu entscheiden, ist eine wunderschöne Sache. Man muss aber darauf achten, dass man unter der Woche regelmäßig einen Nachmittag frei hat. Als unsere beiden Söhne noch klein waren, war das besonders wichtig und hat mir besondere Freude gemacht, dass ich mich dann mit ihnen beschäftigen konnte.
Markus Möhrle, Sohn von Gerd Möhrle
BBBote: Lohnt sich denn die Anstrengung auch?
Gerd Möhrle:In finanzieller Hinsicht mussten wir nach der Einführung des Euro deutliche Einbrüche in den Umsatzzahlen hinnehmen. Die Einnahmen stagnierten dann einige Jahre auf mäßigem Niveau haben wir wieder Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Im Schnitt kaufen die Kunden bei uns für rund 5 € ein, während Großeinkäufe von Fleisch- und Wurstwaren im Wert von etwa 30, 40 € mittlerweile eher Seltenheitswert haben.
BBBote: Warum kommen die Kunden zu Ihnen?
Gerd Möhrle: Unsere Kunden wissen, dass sie für Einkäufe bei uns in der Regel etwas mehr Geld ausgeben als in einem Supermarkt. Aber sie wissen auch, dass sie Vertrauen in die sehr hohe Qualität unserer Produkte haben können. Viele Kunden schätzen auch den persönlichen Kontakt zu unserem Geschäft. Es gibt zum Glück noch viele Menschen, die wissen , dass gute Ware ihren Preis hat und von daher die „Geiz ist geil“-Mentalität ablehnen.
Geselle Alois beim Herrichten von Naturdärmen
BBBote: Können Sie uns sagen, worauf Sie bei dem Umgang mit Ihren Kunden besonderen Wert legen?
Gerd Möhrle: Die Beratung der Kunden ist bei uns ein großes Plus. Alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind freundlich, engagiert und kompetent. Sie haben viel Erfahrung und können so auf die Fragen und Wünsche unserer Kunden eingehen. Dies gilt nicht nur für Fragen über dieEigenschaften eines Produktes, sondern auch für die verschiedenen Möglichkeiten zur Zubereitung der Speisen (des Fleisches?).
BBBote: Sie haben unter Ihrer Regie über vierzig Auszubildende erfolgreich zur Abschlussprüfung geführt. Es ist nicht zu übersehen, dass das Handwerk als Ausbilder und Arbeitgeber noch immer enorme Bedeutung hat. Manchmal ist zu hören, die Jugend hätte heute nicht genügend Ausbildungsreife. Teilen Sie diese Einschätzung?
Gerd Möhrle: Eindeutig nein! Es kommt natürlich immer wieder einmal vor, dass zwischen Lehrling und Ausbilder Differenzen auftreten oder der persönliche Umgang nicht völlig unkompliziert ist. Aber im Großen und Ganzen hat sich nicht viel verändert. Wir hatten doch als junge Menschen auch andere Vorstellungen als die Erwachsenen!
Generell ist aber für das Betriebsklima unverzichtbar, dass die Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern gut funktioniert. Da wir täglich viel Zeit zusammen verbringen, muss eine Atmosphäre des gegenseitigen Verstehens und Helfens, aber auch des gemeinsamen Lachens vorhanden sein.
BBBote: Wenn sie einmal aufhören, geht es dann mit der Metzgerei in die fünfte Generation?
Gerd Möhrle: Das kann ich Ihnen nicht garantieren. Einer meiner beiden Söhne arbeitet heute als Metzgergeselle im Betrieb. Ob und wie er den Betrieb dann mal weiterführt, möchte ich ihm überlassen.
BBBote: Herr Möhrle, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg!